Willi’s Leben hatte in der Tiefkühltruhe begonnen. Sein Urheber Samuel, registriert unter der Ziffer 75-4B43X-14, Blutgruppe A positiv, Jahrgang 1975 und damals bei guter Gesundheit, wollte sich einen neuen Discman kaufen, hatte aber zu wenig Geld dafür, da er noch Student war, im vorletzten Semester, am anorganisch-chemischen Institut der Zürcher Universität.
Als er eines Abends durch die binäre Kanalisation des Internets strick, stiess er auf die Website des gynäkologischen Instituts zu Homberg, das zwecks Samenspende eben solche Männer wie ihn suchte. Schön und klug sollten sie sein.
Samuel legte sich eine nette Erklärung zurecht, denn eine solche musste er als Spendewilliger abgeben, hielt es aber unter den gegebenen Umständen für vernünftig, den Discman zu verschweigen. Einige Tage nach der Entdeckung dieser famosenGeldquelle sass er als Nr. 75-4B43X-14 in einem Spenderkämmerchen, mit einem Pornoheft auf den Knien, und hebelte wie benebelt an sich herum, bis er unter kurzem Ah! und Oh! den halben Willi zusammen mit zahlreichen anderen halben Kollegen in das bereit stehende Fläschchen spritze. Hätte Willi schon denken können, er hätte sich gewundert, warum er nicht in einem dunklen, warmen Schoss gelandet war.
Da lag er nun, klebrig und weisslich, gut verschlossen, gut verschlossen und umgeben von Stickstoffschwaden, und verharrte reglos und eingefroren in der Abteilung für Kryokonservierung des Instituts zu Homberg.
Die Zeit verging, Samuel schloss sein Studium ab und wurde froh, den Discman hatte er mittlerweile dem pubertierenden Sohn seines Bruders geschenkt, im Land wurden Wahlen abgehalten, das Fernsehprogramm lief weiter und die Sonne würde auch am Morgen jenes Tages aufgehen, da jemand beschliessen würde, den eingefrorenen Willi doch noch einem dunklen, warmen Schoss zuzuführen.
Gerda, 35-jährig, ihres Zeichens kaufmännische Angestellte in einer erfolgreichen Kosmetikproduktefirma, standesamtlich getraut im Jahren 1996, just in jenem Jahr, da das eidgenössische Musikfest in Interlaken abgehalten wurde, wollte nun endgültig etwas unternehmen, um das seit vier Jahren bereit stehende Kinderzimmer doch noch mit einem Kind zu bereichern, bevor darin kein Platz mehr sein würde. Sie begag sich mit ihrem Mann, 40-jährig, seines Zeichens Unternehmer in dritter Generation, mit eindeutig negativem Spermiogramm, den sie nach endlosen Diskussionen zu diesem Schritt hatte bewegen können, auf den Weg ins gynäkologische Institut zu Homberg.
Das Paar fand sich im Institut ein, gelegen an erholsamer lage im Zürcher Oberland, am Rande eines Mischwaldes, mit grosser Wiese und einem Teich, blätterte versonnen im Spenderverzeichnis und entschloss sich gemeinsam für die Nr. 75-4B43X-14. Das schien ein strammer Jüngling gewesen zu sein, blond und intelligent. Gerda unterzog sich den einschlägigen Untersuchungenm, sie erwies sich als fruchtbar, die Zeit nahm ihren Lauf und das Verfahren auch.
Der halbe Willi wurde aus seiner tiefgefrorenen Kryokonserve befreit, mit einer winzigen Pipette von seinen Ejakultaskommilitonen getrennt und unter ein Mikroskop geführt, aus dem ihn ein ungeheuer grosses Auge anglotzte, unter dessen wachsamen Blicken er mit seiner anderen Hälfte zusammen geführt wurde. Willi erkannte sich gleich, machte sich an die Arbeit, drang in sich hinein, befruchtete sich selber und legte auch bald darauf mit der Zellteilung los.
Wie geplant, brütete er die ersten vier Tage in einem Kulturschälchen im Brutkasten und wurde danach umgetopft. In Gerdas Schoss fand er eine neue Heimat, wuchs heran und drängte sich einige Monate später durch den engen Geburtstkanal in die Welt.
„B43“, stotterte Gerda’s Mann sichtlich erregt. „X …, Ixi …, mein … Sohn.“
An einem Dienstag bezog der ganze Willi das füpr ihn vorgesehene Zimmer in der Wohnung von Gerda und ihrem Ehemann. Die Börse schloss uneinheitlich mit einem leichten Plus von 0,2 Prozent, der Abendverkehr bewegte sich mit der Melancholie eines Dog Eye View Song, Regen lag in der Luft.